Versorgungsmodelle

Umgang mit der Versorgung während der Covid-19-Pandemie (Beispiel China)

Menschen, die mit Demenz leben, haben nur begrenzten Zugang zu Informationen und Fakten über die COVID-19-Pandemie und haben möglicherweise Schwierigkeiten, sich an Schutzmaßnahmen, wie das Tragen von Masken zu erinnern oder die an sie gerichteten öffentlichen Gesundheitsinformationen zu verstehen. Weiterhin wurde versucht, die soziale Distanz aufrechtzuerhalten, wodurch der persönliche Kontakt für Menschen mit Demenz nachgelassen hat und diese sich schneller einsam und verlassen fühlen. Während des COVID-19-Ausbruchs in China gaben fünf Organisationen, darunter die Chinese Society of Geriatric Psychiatry and Alzheimer's Disease Chinese, umgehend Expertenempfehlungen heraus und verbreiteten Schlüsselbotschaften zur psychischen Gesundheit und psychosozialen Unterstützung.

Multidisziplinäre Teams (Fachleute aus dem Bereich der psychischen Gesundheit, Sozialarbeiter, Verwalter von Pflegeheimen und Freiwillige) starteten kostenlose Beratungsdienste für Menschen mit Demenz. Selbsthilfeanleitungen zum Stressabbau, wie Entspannungs- oder Meditationsübungen, könnten über elektronische Medien vermittelt werden. Serviceteams könnten Verhaltensmanagement durch Telefonhotlines unterstützen. Psychologische Berater könnten Online-Beratungen für pflegende Angehörige zu Hause und in Pflegeheimen anbieten. Darüber hinaus werden Menschen, die einen demenzkranken Elternteil haben, dazu ermutigt, häufigeren Kontakt zu suchen, mehr Zeit mit ihrem Elternteil zu verbringen oder einen Teil der Pflegeaufgaben zu übernehmen, um den Pflegenden eine gewisse Auszeit zu ermöglichen.

 
Quelle
  • Wang, H., Li, T., Barbarino, P., Gauthier, S., Brodaty, H., Molinuevo, J. L., Xie, H., Sun, Y., Yu, E., Tang, Y., Weidner, W., & Yu, X. (2020). Dementia care during COVID-19. Lancet (London, England), 395(10231), 1190–1191. https://doi.org/10.1016/S0140-6736(20)30755-8

Notwendigkeit kollaborativer Versorgungsformen

Ein Bericht der Nationalen Akademien der Wissenschaften, Technik und Medizin

Viele Menschen haben nach wie vor keinen Zugang zu hochwertiger Pflege und leben nicht so gut, wie sie könnten. Es gibt nur begrenzte Erkenntnisse, die als Grundlage für Entscheidungen über die Politik und die Umsetzung spezifischer Maßnahmen dienen können und nur begrenzte Belege für die Priorisierung der zahlreichen Maßnahmen, die hilfreich sein könnten. Dies liegt an der Komplexität der Demenzpflegemaßnahmen und der Systeme, in denen sie durchgeführt werden, an der Vielfalt der betroffenen Bevölkerungsgruppen, an der fortschreitenden Natur der Krankheit und an den methodischen Beschränkungen der bestehenden Forschungsbasis.

Der Ausschuss kam zu dem Ergebnis, dass die Evidenz ausreicht, um die Umsetzung von zwei Arten von Interventionen zu rechtfertigen: kollaborative Pflegemodelle und REACH (Resources for Enhancing Alzheimer Caregiver Health) II und seine Anpassungen. Um die Evidenzbasis für die künftige Umsetzung weiter auszubauen, sollte diese Umsetzung von Überwachung und Bewertung, Qualitätsverbesserung und Informationsaustausch begleitet werden.

Bei kollaborativen Pflegemodellen kommen Experten aus verschiedenen Disziplinen in Teams zum Einsatz, die medizinische und psychosoziale Ansätze in die Pflege integrieren. Eine Untersuchung ergab, dass solche Modelle die Lebensqualität verbessern, Qualitätsindikatoren verbessern und die Zahl der Besuche in der Notaufnahme verringern. REACH II, eine Multikomponenten-Intervention, die pflegende Angehörige und Betreuer durch eine Kombination von Strategien unterstützt, umfasst Problemlösung, Kompetenztraining, Stressbewältigung, Selbsthilfegruppen und Aufklärung. Untersuchungen ergaben, dass REACH II und seine Anpassungen die Depressivität von Pflegefachkräften verringert.

Es ist jedoch wichtig, dass die Forschung weiterhin andere potenziell vielversprechende Interventionen entwickelt und evaluiert, von denen viele bereits Anzeichen für einen Nutzen gezeigt haben.

 
Quelle
  • Larson, E. B., & Stroud, C. (2021). Meeting the Challenge of Caring for Persons Living With Dementia and Their Care Partners and Caregivers: A Report From the National Academies of Sciences, Engineering, and Medicine. JAMA, 325(18), 1831–1832. https://doi.org/10.1001/jama.2021.4928

Vergleich von kollaborativen Versorgungsmodellen

Es wurden sechs Demenzpflege-Modelle (DelpHi-MV (Germany), DemNet-D (Germany), ABC Med Home (USA), CAREDEM (UK), EVIDEM (UK), DementiaNet (Netherlands)) aus vier Ländern miteinander verglichen und folgende Rückschlüsse für eine kollaborative Pflege gezogen:

  • Pflegeteams bestehen minimal aus Hausärzten, Krankenschwestern und Sozialarbeitern für die Teamleitung und Pflegekoordination
  • Weitere medizinische Fachkräfte: Neurologe, Physiotherapeuten und Ergotherapeuten
  • Meist erhalten Teammitglieder eine spezifische Qualifikation
  • Für den interprofessionellen Ausbildungs-Ansatz der Qualifikation, sollte eine Bildungsbedarfsanalyse innerhalb des Teams durchgeführt werden, damit das Curriculum der Ausbildung bedarfsgerecht zugeschnitten werden kann
  • Eine interprofessionelle demenzspezifische Ausbildung sollte vier Kernkompetenzen umfassen: 1. Frühdiagnose, 2. Postdiagnostische Unterstützung, 3. fortgeschrittene Pflegeplanung für Patienten und Betreuer und 4. Effektive kollaborative Pflege
  • Die Lehrpläne sollten in Module gegliedert
  • Sinnvolle Lernmethoden: klinische Fallanalysen (bspw. Zur Erprobung gemeinsamer Entscheidungsfindungen bei Gesundheitsmaßnahmen)
  • Zugang zu Lernmaterialien sollte bereitgestellt werden
  • Idealerweise sollten interprofessionelle Ausbildungen durch randomisierte, kontrollierte Studien bewertet werden
 
Quelle
  • Dreier-Wolfgramm, A., Michalowsky, B., Austrom, M. G., van der Marck, M. A., Iliffe, S., Alder, C., Vollmar, H. C., Thyrian, J. R., Wucherer, D., Zwingmann, I., & Hoffmann, W. (2017). Dementia care management in primary care : Current collaborative care models and the case for interprofessional education. Versorgungsmanagement bei Demenz in der Primärversorgung : Aktuelle kooperative Versorgungsmodelle und der Vorteil von interprofessionellem Lernen. Zeitschrift fur Gerontologie und Geriatrie, 50(Suppl 2), 68–77. https://doi.org/10.1007/s00391-017-1220-8, https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/28364258

Dementia Care Management (DelpHi-MV) in Deutschland

Mithilfe der DelpHi-MV Studie wurde die Auswirkung des Demenzpflegemanagements (Dementia Care Management) auf die Behandlung und Pflege von Menschen mit Demenz und ihren Pflegenden in Deutschland untersucht. An der Studie nahmen 634 Patienten teil, die über einen Zeitraum von sechs Monate in der Häuslichkeit von demenzspezifisch qualifizierten Pflegefachkräften in der eigenen Häuslichkeit versorgt wurden. Verglichen wurde diese Behandlung mit der normalen Routineversorgung. Beim Demenzpflegemanagement wird eine computergestützte Bewertung vorgenommen, die eine personalisierte Reihe von Interventionsmodulen und eine anschließende Erfolgskontrolle vorsieht. Neben der Verringerung der neuropsychiatrischen Symptome und dem erhöhten Einsatz von Antidementiva, ergab sich durch das Demenzpflegemanagement ebenfalls eine geringere Belastung der Angehörigen.

 
Quelle
  • Thyrian, J. R., Hertel, J., Wucherer, D., Eichler, T., Michalowsky, B., Dreier-Wolfgramm, A., Zwingmann, I., Kilimann, I., Teipel, S., & Hoffmann, W. (2017). Effectiveness and Safety of Dementia Care Management in Primary Care: A Randomized Clinical Trial. JAMA psychiatry, 74(10), 996–1004. https://doi.org/10.1001/jamapsychiatry.2017.2124

Weiterentwicklung des Dementia Care Managements (InDePendent) in Deutschland

Modelle der fortgeschrittenen Pflegepraxis (Advanced Nursing Practice) haben das Potenzial, die Behandlung und Pflege der wachsenden Zahl von Menschen mit Demenz zu verbessern. Die InDePendent Studie untersucht die Akzeptanz, Sicherheit, Wirksamkeit und gesundheitsökonomische Effizienz eines fortgeschrittenen Versorgungsmodells (Weiterentwicklung Dementia Care Management aus DelpHi-MV Studie) für Menschen mit Demenz in Deutschland, welches eine Neuverteilung der Aufgaben zwischen spezialisierten Pflegekräften und Hausärzten anstrebt. Die spezielle Behandlung innerhalb des Versorgungsmodells wird mit der Routineversorgung verglichen. Diese Behandlung umfasst regelmäßige Besuche von speziell qualifizierten Pflegefachkräften, welche die offenen Versorgungsbedarfe der Patienten erfassen und innerhalb von sechs Monaten den individuellen Pflegeplan alleine oder in Absprache mit dem Hausarzt bzw. der Hausärztin umsetzen. Die Ergebnisse werden einen Beitrag zur Implementierung solcher Modelle im deutschen Gesundheitssystem beitragen.

 
Quelle
  • Kleinke, F., Michalowsky, B., Rädke, A., Platen, M., Mühlichen, F., Scharf, A., Mohr, W., Penndorf, P., Bahls, T., van den Berg, N., & Hoffmann, W. (2022). Advanced nursing practice and interprofessional dementia care (InDePendent): study protocol for a multi-center, cluster-randomized, controlled, interventional trial. Trials, 23(1), 290. https://doi.org/10.1186/s13063-022-06249-1